Opposition im Iran, die namenlose Mehrheit

Obwohl ein großer, namenloser Teil der Bevölkerung im Iran, sich bloß ein Ende des Regimes wünscht, laut die Namen der Pahlavi-Könige ruft und bei Demonstrationen am meisten verhaftet und oftmals nach kurzem Prozess gnadenlos hingerichtet wird, wollen die Reformisten als einzige iranische Opposition für die gesamten iranische Bevölkerung innerhalb und außerhalb Irans sprechen. Dabei sind die Reformisten im Grunde ein wichtiger Flügel des Regimes. Sie waren sowohl am Sieg der islamischen Revolution beteiligt, als auch an der Verlängerung der Lebenszeit des Regimes.
Außerhalb Irans kennt man nur wenige Namen der Oppositionellen, die meisten in Regime-Gefängnissen inhaftiert waren oder sind. Personen wie Mir Hossein Mussavi, Narges Mohamadi oder Nasrin Sotudeh. Es gibt aber viele Menschen, die unter schlimmsten Bedingungen im Iran inhaftiert sind, hingerichtet wurden, und außerhalb Irans beinahe nie erwähnt werden. Unbekannte Personen, wie Mahmud Mehrabi, dessen Schwester am 26. Juli in München für ihn sprach. Es sind politische Gefangene wie Fatemeh Sepehri, die krank ist, und trotz einer Herzoperation ihre Gefängniszelle nicht verlassen darf.

Sie gehört zu einer Märtyrerfamilie, denn ihr Ehemann ist im ersten Golfkrieg gefallen. Märtyrerfamilien werden vom Regime normalerweise mit Respekt behandelt, aber sie und ihr Bruder sitzen seit Jahren im Gefängnis, nur weil sie den Mut hatten, ähnlich wie weitere 13 Personen den geistlichen Führer Ali Khamenei zum Abdanken aufzufordern.
Nach der Ermordung von Mahsa, äußerte sich Fatemeh Sepehri laut und unmissverständlich darüber: „Wir sprechen seit vierundvierzig Jahren nur noch unser Beileid aus! Heute wurde Mahsa ermordet. Vor einigen Jahren wurde Zahra Kazemi auf die gleiche Weise getötet. Das ist nicht das erste Verbrechen und es wird nicht das letzte sein. Die Islamische Republik muss gehen. Mahsa kam aus Saqez nach Teheran, um die Stadt zu besuchen, aber sie wurde mit Khameneis Schlagstöcken zu Tode geschlagen! Ich hoffe, dass dieses Regime so schnell wie möglich zu Ende geht. Jeder Mensch, der mit dem Regime kooperiert, wenn er auch nur ein Fünkchen Gewissen hat und ein Fünkchen Liebe für den Iran im Herzen trägt, sollte sich von der Islamischen Republik trennen. Das sind Mörder. Sie wollen den Iran zerstören. Ich hoffe, dass wir uns alle zusammenschließen. Wacht auf! Bevölkerung Irans! Sie nahmen unser Brot. Sie nahmen uns die Ehre. Sie nahmen unsere Heimat. Sie nahmen uns unsere Sicherheit. Sie haben unseren Lieben das Leben genommen. Wofür stehen wir jetzt noch? Worauf warten wir? Was soll geschehen, was noch nicht geschehen ist?“
Viele Menschen wiederholen diese letzten Sätze. Sie bewundern ihren Mut und nennen sie: „Löwin“.
Auch Nasrin Shakarami, deren Tochter Nika Shakarami im Zuge des Mahsa-Amini-Aufstands auf brutaler Art und Weise ermordet wurde, ist immer wieder inhaftiert, nur weil sie für Nika nach Gerechtigkeit sucht.

Viele Familien haben bei den Protesten ihre Kinder verloren. Nahid Schirpischeh, die Mutter der bei der Demonstrationen im November 2019 ermordeten Pouya Bakhtiari sitzt immer noch im Gefängnis. Aufgrund des starken psychischen und physischen Drucks, der auf sie ausgeübt wurde, hat sie vor acht Monaten versucht, sich im Gefängnis das Leben zu nehmen. Sie wurde viele Male geschlagen und befand sich im Hungerstreik.

Auch Manouchehr Bakhtiari, Vater von Pouya wurde vom Revolutionsgericht zu 18 Jahren Haft und 74 Peitschenhieben verurteilt. Er leidet unter verschiedenen schweren Krankheiten.

Das einzige, was die trauernden Familien verbrochen haben, ist die Suche nach Gerechtigkeit für ihre ermordeten Kinder.
Fatemeh Sepehri, Nasrin Shakarami und Manouchehr Bakhtiari haben nicht nur ihre Familienmitglieder durch das Regime im Iran verloren, sondern auch ihre Lebenszeit und Gesundheit in den Regime-Gefängnissen. Sie unterscheiden sich in einem wichtigen Punkt von anderen weltberühmten prominenten politischen Gefangenen im Iran: Sie unterstützen laut und öffentlich Prinz Reza Pahlavi, während die propagierten Gefangenen, die zu den Reformisten gehören, diesen ablehnen.

Petition: Prinz Reza Pahlavi ist mein Vertreter

Während die Pahlavi-Anhänger seit Jahren die islamische Republik stürzen wollen, versuchen die Reformisten mit verschiedenen Methoden wie dem Atomabkommen das Regime als reformierbar darzustellen. Diese Reform-Absichten haben vor allem außerhalb Irans immer wieder das Image des Regimes gerettet. Die Mullahs haben leider dadurch genug Zeit gehabt, Raketen zu bauen, terroristische Gruppierungen zu stärken und waffenfähiges Uran anzureichern.
„Hardliner! Reformer! Das Spielchen ist bereits vorbei!“
Auch in der Bevölkerung ist ein Bewusstsein dafür entstanden. In den letzten Jahren hört man öfter auf Demonstrationen Parolen wie diese:
„Eslah-talab! Usul-gara! Dige Tamume Madjara!“
„Reformer! Hardliner! Das Spielchen ist bereits vorbei!“
Die Reformversuche scheiterten schon während Khatamis Präsidentschaft. Präsidenten Khatami (1997-2005) und Ruhani (2013-2021) gehörten zu den Reformisten. Mir Hossein Mussawi und Sadegh Zibakalam sind ebenfalls prominente Reformisten.
Oft werden leider außerhalb Irans die Reformisten irrtümlicherweise als alleinige iranische Opposition wahrgenommen. Aber aus der Sicht vieler Menschen im Iran sind die Gruppierungen, die in den 60er und 70er Jahren Khomeini bei seinem islamistischen Sieg unterstützt und den Schah von Persien gestürzt haben, ein Teil des Regimes – solange sie das Regime reformieren und weiter davon profitieren wollen. Die o.g. prominenten Reformisten gehören zum "Khomeini-Verbündeten".
"Ihr versteht nichts"
In diesem Bild hält ein iranischer Junge ein Kindheitsfoto von Prinz Reza Pahlavi in die Kamera. Hinter dem Jungen steht seine Mutter und zeigt ein Bild von Mohammad Reza Schah Pahlavi und Kaiserin Farah Pahlavi,- den Eltern des Prinzen. Über dieses Bild postete Kianoosh Sanjari, iranischer Autor und Journalist, der höchstwahrscheinlich vom Regime ermordet wurde, folgenden Tweet: „Es ist möglich, dass ein Liedermacher, ein Dichter, ein Autor, ein Intellektueller oder ein belesener Mensch zu diesem Jungen und seiner Mutter sagt: Ihr versteht nichts“

Mit diesen zwei Zeilen spricht Kianoosh aus den Herzen von Millionen Opfern der islamischen Revolution. Denn in den 60ern und 70er Jahren erlaubte sich eine kleine Zahl von Studenten, Intellektuellen und Schah-Gegnern außerhalb Irans, für die große Mehrheit der iranischen Bevölkerung, die sie „Masse“ nannten, zu sprechen. Sie schrieben eloquente Texte, traten in der europäischen Öffentlichkeit auf, übertrieben die Probleme der Schahregierung, verschwiegen deren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritte, und vertuschten geschickt den bewaffneten aggressiven „Kampf gegen den Kapitalismus“ ihrer Kameraden innerhalb Irans. Sie taten so, als ob sie die Stimme der gesamten Bevölkerung Irans wären. Viele dieser intellektuellen Revolutionäre, die eine Mischung aus Islam und Kommunismus vertraten, sahen sich selbst im Vergleich zur Masse im Iran als etwas Besseres. Die einfache Bevölkerung Irans aus der Schah-Zeit hatten gar keine Ahnung, dass so eine Gruppe im Ausland überhaupt existiert. Im Inland gehörten dieser Gruppe vor allem Studenten an, viele von ihnen sind nun Uni-Dozenten. Und sie bekämpfen immer noch auf ihre Art die Modernität aus der Schahzeit. Der Philosoph und Uni-Dozent Bijan Abdolkarimi erhebt sich selbst in diesem Video zur „Elite“ und degradiert die gesamte moderne Stadt Abadan aus der Schahzeit, in der eine der größten Raffinerien der Welt steht, auf etwas, was er das „Haus der Prostitution für amerikanische Soldaten“ nennt:
https://www.youtube.com/watch?v=tCO58Y1vgI8 (2:40- 2:45)
Aus seiner Sicht bestand „seine Bevölkerung“ aus „Sklaven“, die durch die islamische Revolution befreit wurden.
Viele Pahlavi-Gegner und iranische belesene Revolutionäre haben einen herablassenden Blick gegenüber den einfachen Menschen im Iran. Sie wollen seit Jahren ihre islamische Republik korrigieren und reformieren.
Kianoosh Sanjari legte sich sowohl mit Hardlinern, als auch mit Reformisten an, die aus ehemaligen Revolutionären und intellektuellen Gruppierungen bestehen und gegen Prinz Reza Pahlavi und Konstitutionelle Monarchie kämpfen. Er nennt sie „Khomeini-verbündete“:

„Für einige Republikaner ist der Wettbewerb mit Pahlavi wichtiger als die Einheit für die Freiheit Irans. Sie stecken so sehr im Kampf gegen Pahlavi fest, dass sie nicht den Mut haben, die Täuschung von 1979 zuzugeben. Und sie verstehen nicht, oder wollen nicht verstehen, warum bei Protesten immer der Name Pahlavi gehört wird und nicht ihr Namen: Khomeinis Verbündete.“
In den letzten Jahren sprach Kianoosh auf seinen Social-Media-Kanälen oft für Pahlavi. Im Zuge der Frau-Leben-Freiheit-Bewegung klärte er auf, in was für einem modernen säkularem Iran die Frauen in der Schahzeit lebten – würdevoll. Dass Frauen während der Schahzeit sogar mehr Rechte und mehr Freiheit genossen, als woanders in der Welt. Ähnlich wie viele von uns Menschen im Iran bedauerte er den Verlust der paradiesischen Zeit vor der Revolution und die Hölle danach:
https://x.com/Sanjaribaf/status/1837235674778615835
"Meiner Ansicht nach ist die Frau-Leben-Freiheit-Bewegung nicht innerhalb einer Nacht im Iran zustande gekommen.“ Diese Bewegung sollte im Kontext der islamischen Revolution, die durch den politischen Islam gegen die Freiheit der Frauen kämpfte und kämpft, betrachtet werden. Von 1935 bis 1979 gab es im Iran keinen Kopftuchzwang und 1963 erhielten Frauen das Wahlrecht. „Ich denke bei Frau-Leben-Freiheit wollten Menschen im Iran auf nationaler Ebene auch für die Rechte kämpfen, die den iranischen Frauen im Zuge der islamischen Revolution genommen worden sind.“
Diese Kritik zu äußern fordert Mut. Seit 1979 sind die Pahlavifamilie, ihre Bilder, positive Äußerungen über sie und sogar das Zeigen der alten Flagge, strafbar. Die lobenden Videos und Bilder, die Kianoosh über die Zeit vor der Revolution veröffentlichte, bekamen von seinen 100.000 Followern tausende Likes. Vor allem ist es die junge Generation, die sich nach der Zeit vor der Revolution sehnt, obwohl sie selber nie diese Zeit erlebt hat.

Charismatische politische Aktivisten wie Kianoosh Snajari, die offensichtlich Pahlavi unterstützen, werden vom Mullah-Regime und dessen Verbündeten als Gefahr betrachtet und auf hinterhältige Art und Weise ermordet.
„Die Menschen im Iran haben sowohl mit dem guten, als auch mit dem schlechten Islam abgeschlossen.“
Sowohl unter den Reformisten, als auch unter den Hardlinern gibt es immer mehr Menschen, die nicht mehr an eine Besserung des Regimes glauben. Hinzu kommt, dass die Gesetze des Islam, wie sie seit der Revolution im Iran praktiziert werden, sind wohl kaum reformierbar. Das Regime hatte seit der Präsidentschaft von Mohamad Khatami, d.h. über 25 Jahre Zeit gehabt, sich zu reformieren, aber das einzige, was sich im Iran gebessert hat, ist das wirtschaftliche Wohl der Regimeangehörigen. Die Mehrheit der Gesellschaft rutscht immer tiefer unter die Armutsgrenze. Drogenabhängigkeit, Depression, Arbeitslosigkeit, systematischen Korruption, Prostitution, Organhandel, Klimasünden, ausgetrocknete Flüsse, massive Menschenrechtsverletzunen, Unterdrückung in allen Bereichen, Inflation und viele weitere unlösbare Probleme beweisen, dass das jetzige Regime nicht reformierbar ist.
Deshalb schließen sich sogar manche bekannte Hardliner der namenlosen Mehrheit an, die sich einen Sturz der islamischen Republik wünscht. „Die Menschen im Iran haben sowohl mit dem guten, als auch mit dem schlechten Islam abgeschlossen.“ sagt der Journalist Mehdi Nasiri in einem Online-Gespräch mit dem Reformisten Sadegh Ziba-Kalam.
Mehdi Nasiri ist Journalist und ehemaliger Redakteur der konservativen staatlichen Zeitung „Keyhan“. Sein Vater gehörte zu den wenigen schiitischen Klerikern, die an die Trennung von Religion und Staat glaubten.
Nasiri selbst war zunächst ein religiöser Revolutionär und somit ein Unterstützer der islamischen Revolution. Jahrelang hatte er nach dem Sieg Khomeinis als Hardliner das Regime unterstützt, bis in den letzten Jahren, als die Demonstranten massenhaft getötet wurden. In den Augen vieler seinen Anhänger verlor das Regime damit seine anfängliche Legitimation endgültig.
Mehdi Nasiri gibt zu, dass die islamische Revolution eine große Tragödie und ein katastrophaler Fehler war. In seinen Schriften und den Videos auf seinem Youtube-Kanal lädt er die damaligen Revolutionäre ein, um sich bei den Opfern der Revolution zu entschuldigen:
https://www.youtube.com/@MahdiNasiri-1342/posts
Denn leider gibt es immer noch viele Revolutionäre, die nicht einsehen wollen, dass sie durch ihre islamische Revolution und den Sturz des Schahs, nicht nur Iran, sondern den ganzen Nahen Osten in Armut, Krieg, Angst, Terror und Unruhe gestürzt haben.
Zurzeit lebt Nasiri außerhalb Iran. Er war mit einer Video-Botschaft bei der Münchner Iran-Konferenz dabei.

In seiner Botschaft versuchte er, über die Zeit unmittelbar nach dem Sturz des Regimes aufzuklären: „Es geht nicht darum, dass wir Prinz Reza Pahlavi zum König erklären. Prinz Reza Pahlavi ist der Königsweg, um das Monster der islamischen Republik hinter uns zu bringen. Ich habe stundenlang überlegt und stundenlang mit anderen Menschen gesprochen und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass nur Prinz Reza Pahlavi helfen kann, eine säkular-demokratische Regierung zu erreichen. Irans Bevölkerung wird durch eine freie Wahl bestimmen, ob die Form der Regierung nach dem Sturz des Regimes eine konstitutionelle Monarchie sein wird, oder eine Republik; Ob Prinz Reza Pahlavi, nach dem Sturz des Regimes, König des Irans sein wird, oder Präsident, oder ein anderer politischer Akteur. Prinz Reza Pahlavi hat selbst in all den Jahren seiner politischen Aktivität gesagt, dass er die Meinung und den Willen der iranischen Bevölkerung respektiert und akzeptiert. Soweit ich ihn kenne, ist er kein Mensch, der sein Wort brechen würde. Der Prinz gehört nicht zu den Menschen, die etwas Hinterhältiges tun. Liebe Landsleute! Iran ruft heute seine Kinder zur Unterstützung, zum Mitfühlen und zu seiner Rettung.“
https://www.youtube.com/shorts/P8u0IIWDyFQ